Mehr als fünf Jahre

Der 13. März 2013 ist der Tag der Wahl von Jorge Mario Bergolio zum Papst.
Der 4. Oktober 1226 ist der Tag des Todes von Giovanni Battista Bernardone.
Beide kennt man unter dem Künstlernamen Franziskus. Beide sind Lebenskünstler. Der eine kommt von Buenos Aires und sagt zuerst: Buena sera! Der andere kommt von Assisi und sagt immer wieder: Pace e bene!
Der eine spielt in San Damiano das Kirchenbauspiel. Im zerfallenden Kirchlein hört er eine Stimme zu ihm sprechen: „Bau mir die Kirche wieder auf!“ Der andere spielt im Vatikan das Kirchenumbauspiel. Das Wahlgremium der Kardinäle hat ihn dazu beauftragt nach einer flammenden Rede.
Beide merken, dass es nicht so einfach geht. Doch beide sind ver-rückt, Narren Gottes. Sie lassen sich von Gegenspielern nicht abhalten. Beide leben in Zeiten von Umbrüchen. Beide bringen in ihrem neuen Leben Aspekte ein, die vom Mainstream der jeweiligen Leitkultur übersehen, ja verdrängt werden.

Francesco von Assisi zeigte als Laie, der er zeitlebens blieb, dass in seiner Bruderschaft und später bei der Entstehung seines Ordens Hierarchie und Prälatur unbedeutend sind. Er unterstützte gleichgesinnte Frauen, Klara von Assisi ist die bekannteste. Francesco sprach und sang vom fröhlichen Gesicht und vom Lachen eines Menschen, der weiss, dass Gott Freude ist. Franziskus und die Franziskaner entschieden sich für das Sprechen in kleinen Städten, die damals im 12./13. Jahrhundert entstanden. Sie waren viel unterwegs, einige von ihnen bis China. Für ihr Erzählen suchten sie neue Plätze der Kommunikation. Nicht der Kirchenraum war ihnen wichtig, sondern der öffentliche Platz, der Marktplatz. Franziskaner wollten keine eigenen Kirchen besitzen, sondern durch ihr Auftreten in der Stadt und bei den Menschen zuhause neue Kommunikationsräume schaffen. So prägten sie eine vorher unbekannte Lebensvorstellung. Halb Laie, halb Mönch, verschrieb sich Francesco einem Lebensstil der Einfachheit, des Unten aus einem starken Selbstwertgefühl heraus und des Redens am Rand der offiziellen Kirche. Seine Liebe galt allen Menschen, allen sozialen Milieus, allem Lebendigen. Der Sonnengesang ist nur ein Zeugnis dafür. Francesco verkörpert bis heute Wandel und Aufbruch. Er sammelt Blinde, Lahme, Stumme, Verachtete, Bettler, Sünder und Tote, damit sie in der Begegnung mit Gott ungeahnte Wunder erleben.

Im Konklave zur Papstwahl betonte Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Evangelisierung setze Eifer und kühne Redefreiheit voraus, damit sie aus sich selbst herausgehe nicht nur an die geografischen Ränder, sondern an die Grenzen der menschlichen Existenz: die des Mysteriums der Sünde, des Schmerzes, der Ungerechtigkeit, der Ignoranz, der fehlenden religiösen Praxis, des Denkens und jeglichen Elends. Als Papst warnt er immer wieder vor einer egozentrischen Kirche. Ihm ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Strassen hinausgegangen ist, wichtiger als eine Kirche, die sich in sich verschliesst: „Mir ist eine Kirche lieber, die etwas falsch macht, weil sie überhaupt etwas tut, als eine Kirche, die krank wird, weil sie sich nur um sich selbst dreht.“ Er passt nicht in von diesem oder von jener vorgefertigte Schablonen hinein.

Eigentlich wollte der Jesuit aus Argentinien fünf Jahre lang Papst sein. Von dieser Beschränkung ist bei ihm keine Rede mehr, obwohl er nun im 82. Lebensjahr steht.

Das Kirchenumbauspiel ist in vollem Gang. Ein paar neue Steine genügen nicht wie noch am Kirchlein von San Damiano. Franziskus braucht als Papst geistvolle Mitspielerinnen und Mitspieler mit langem Atem, mit grosser Freude, mit engagierter Gelassenheit für mehr als fünf Jahre.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert