„O Heiland, reiss die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf“, so heisst ein Lied, von manchen im Advent gesungen.
Und mit Weihnachten ist es gelungen: gefeiert wird der Himmel, der zur Erde fand. Für den Himmel ein neuer Stand. Der Himmel ist nicht weit weg, ist nicht hinter dem Mond. Mit Weihnachten wird es möglich, ein Stück Himmel auf Erden zu finden, parterre, auf Augenhöhe – eine neue Partnerschaft zweier ehemals total ungleichen Sphären. Mit Weihnachten, so sagt es ein Liedvers noch pointierter, mit Weihnachten wird Gott zum Flüchtling: Gott, der seine Himmel flieht. Der Himmel ohne Welt – das hält Gott nicht aus. Tschüss Himmel, hallo Erde!
Ein Weihnachtslied im Kirchengesangbuch formuliert diese Gedanken – der Text stammt von Georg Schmid aus dem Jahr 1989 – in den ersten beiden Strophen so:
Gott aus Gott und Licht aus Licht,
Feuer, das aus Feuer bricht,
Ewigkeit, noch nie erkannt,
Himmel, der zur Erde fand.
Licht, das sich den Hirten zeigt,
Wort, das in Palästen schweigt,
Macht, die unsre Ohnmacht sieht,
Gott, der seine Himmel flieht.
Ein Kind liegt gemässs Lukas-Evangelium in der Krippe von Betlehem.
Ein kleines Kind sagt ohne Worte: „Die Welt will Zukunft haben, die Welt wird Zukunft haben.“ Ein Kind verändert den Alltag, stellt manches auf den Kopf oder präziser: stellt manches wieder auf die Füsse. Mit jedem Kind bricht ein neuer Frühling an, denn grün ist die Farbe der Jugend. Kinder bringen quirliges Leben ins Haus und fordern von Eltern einen langen Atem.
Zur Krippe nach Betlehem will der König des Landes, weil er spürt: seine Zeit könnte ablaufen. Herodes schafft es nicht. Ein neuer, ein starker Wind weht ihm entgegen. Der König, die politische Macht, steht im Abseits. Nun zählt der kleine König der Herzen. Hören wir die nächsten Strophen aus dem Weihnachtslied:
Kind, von dem die Mutter singt,
Leben, das uns Leben bringt,
Frucht, die in der Erde reift,
Geist, der unsern Geist ergreift.
Kind, das in der Krippe liegt,
König, der sich selbst besiegt,
Wind, der durch die Herzen weht,
Leben, das aus Gott entsteht.
Weihnachten wandelt zwei Werktage zu zwei Feiertagen und ruft voller Freude: Trotzdem!
Obwohl es kalt ist – trotzdem geben viele Kerzen warm.
Obwohl wir am Montag und Dienstag arbeiten sollten – trotzdem singen wir festlich gestimmt und gut gelaunt Lieder.
Obwohl die Zahl der Kinder bei uns nicht allzu gross ist – trotzdem freuen wir uns an Kindern, am Kind in der Krippe und vielleicht auch am Kind in uns.
Obwohl manche Konflikte und Kriege toben – trotzdem wünschen wir uns und der Welt Frieden.
Obwohl viele Worte ungehört verklingen – trotzdem hoffen wir, dass jemand uns hört.
Obwohl wir oft blind durch den Alltag stolpern – trotzdem sind wir von weisen Wahrheiten überzeugt.
Obwohl schon manche Liebe versandet ist – trotzdem möchten wir uns verschenken.
Obwohl wir manchmal von der Welt enttäuscht sind – trotzdem träumen wir vom Himmel auf Erden.
Obwohl wir überall enge Grenzen spüren – trotzdem möchten wir eigentlich grenzenlos leben.
Hören wir dieses „Trotzdem, weil Weihnachten“ in den nächsten Lied-Strophen von Georg Schmid:
Friede, den kein Sturm zerstört,
Wort, das unsre Worte hört,
Wahrheit, die an Blinde denkt,
Liebe, die sich selbst verschenkt.
Himmel, der die Erde liebt,
Liebe, die dem Feind vergibt,
Feuer, das für alle brennt,
Gott, der keine Grenzen kennt.
Weihnachten lädt ein zum Loblied auf Kreatives. Eigenes Licht verbindet und verbündet sich mit vielen Lichtern. An der Krippe von Betlehem lässt sich ein Stück Himmel auf Erden entdecken: Himmel, der zur Erde fand und nicht schweigt. Weihnachten heisst: weitererzählen!