Mir fällt auf – in Gesprächen, beim Zeitung lesen – wie oft Bemerkungen vorkommen, die mit „zu wenig“ oder mit „zu viel“ kommentiert werden. Sie, liebe Leserin, lieber Leser, hören und lesen wohl auch solche Aussagen.
Einige Beispiele habe ich in den letzten Tagen notiert. Sie stammen aus verschiedensten Situationen und Bereichen.
„Es gibt zu viel Stress.“ „Er / sie bekommt zu wenig Schlaf.“
„Es gibt zu viel Arbeit.“ „Wir haben zu wenig Ferien.“
„Es gibt zu viel Bürokratie.“ „Es gibt zu wenige Bundesrät*innen.“
„Auf dem Land gibt es zu viele Schulhäuser.“ „Es gibt zu wenig Sekundarlehrer*innen für Physik oder Mathematik“.
„Es gibt zu wenig Pflegepersonal in Spitälern und Pflegeheimen.“ „Ich zahle zu viele Krankenkassenprämien.“
„In den Zügen gibt es zu wenige Sitzplätze während der Stosszeiten.“ „Wir produzieren zu viel Mobilität.“
„Wir pflegen zu viele überholte Traditionen.“ „Innovative Leute und Ideen gibt es zu wenig.“
„Unser Geschäft macht zu wenig Umsatz.“ „Die bekommen zu viel Boni.“
„Zu wenig Leute gehen am Sonntag in die Kirche“. „Zu viele Skandale gibt es in der katholischen Kirche.“
„Wir verbrauchen zu viel Energie.“ „Wir sparen zu wenig Energie.“
Und so weiter und so fort.
Wird zu wenig über „zu viel“ diskutiert?
Wird zu viel über „zu wenig“ gestritten?
Ein heisses Stichwort um „zu viel“ und „zu wenig“ ist jenes der 2000-Watt-Gesellschaft. Vor allem in Städten beginnt eine wohl langfristige Diskussion. Zentral sei dabei die Frage, ob sich der Energieverbrauch einer Wohlstandsgesellschaft drastisch verringern lässt, ohne die Lebensqualität zu mindern. Beinhaltet diese Frage zu viel Anspruch und zu wenig Realität? Bei Strassen, Velowegen oder beim Fahrplangestaltungen im ÖV, beim Fördern von Schnellverkehr oder Langsamverkehr – da prallen unterschiedliche An-Sichten aufeinander.
Simple Antworten gibt es nicht. Aber komplizierte Fragen. Reichen Appelle ans ökologische Gewissen? Müssen finanzielle Anreize vorliegen? Sollen Gesetze oder gar Verbote formuliert werden?
Auch in dieser Diskussion beobachte ich, dass schnell ein „zu wenig“ oder ein „zu viel“ eingebracht wird. Emotionen kommen hoch. Eigene Interessen spielen eine Rolle. Das alltägliche Lebensumfeld steht im Vordergrund.
Hat da folgendes Wort der Woche eine Chance?
„Reich ist, wem nichts fehlt“.
Ein Wort aus der Mystik, aus der Philosophie, aus dem religiösen Kulturschatz.
Kein „zu viel“. Kein „zu wenig“.
PS 1: Dieser Text erschien zum ersten Mal in der Rubrik „Das Wort der Woche“ in der Burgdorfer Wochenzeitung „D’Region“ am 13. April 2010.
PS 2: „Wenig ist das neue Viel“