Bodensee. Und. Mehr

Sie sind geeignet für Feld-, Wald- und Wiesenwege, meine neuen Wanderschuhe. Solche hat wohl jede:r im Keller oder im Schuhkasten. Ein Gebrauchsgegenstand. Ich brauche neue Schuhe für ein neues Projekt. Auf den zweiten Blick hat diese Aktion mit Religion, Gesellschaft & Kultur zu tun. Auf den ersten Blick ist es eine Wanderung. Ich gebe mir für die ganze Strecke drei Mal zwei Wochen Zeit. Rund 40 Wegstücke wird die Weitwanderung umfassen. So ist es jedenfalls geplant. Weit komme ich dabei trotzdem nicht. Ausgangsort und Zielort sind nämlich identisch. Ein Drehen im Kreis? Genau!

Wer mich kennt, kennt die Auflösung des Rätsels. Ich wandere um den Bodensee. Im Uhrzeigersinn und grossräumig. Rosmarie begleitet mich und fotografiert. Zur ersten Etappe starten wir am Ostersonntag in Arbon. Vom Bahnhof zum See dauert es knapp 3 Minuten. Es folgt ein Besuch auf dem Friedhof, wo meine Eltern begraben sind. Nachher kehren wir dem Grab den Rücken und lenken unsere Schritte Richtung Goldach und Rorschach (das einzige Stück, bei dem wir gegen den Uhrzeigersinn wandern). Beim Start zur zweiten Etappe werde ich meinen 70. Geburtstag begehen. Wortwörtlich begehen – begehen werde ich Wanderwege auch an jenem Juli-Sonntag im Sommer. Irgendwo am Bodensee, wohl auf deutschem Gebiet beim Untersee.

Am Bodensee bin ich geboren und aufgewachsen. Im Lauf meines Lebens blieb ich dem See und seiner Umgebung verbunden, obwohl es mich stärker in die Berge als ins Wasser zog. Jetzt möchte ich mir Zeit schenken, um den ganzen See zu Fuss zu umrunden: wandernd, schauend, entdeckend, schreibend. Wir besuchen historisch bedeutende Städte wie Konstanz, Bregenz und Sankt Gallen. Wir wandern durch Mostindien und sehen hoffentlich noch unzählige Apfel- und Birnbäume im Bluescht. Wir besuchen alte Klosteranlagen, kleinere und grössere Schlösser. Auf der Insel Reichenau lohnt sich ein längerer Aufenthalt. Nicht nur Religions- und Kulturgeschichte(n), nicht nur Orte mit dem Siegel UNESCO-Welterbe werden unserer Wanderung eine spezielle Note verleihen, auch Industriegeschichte(n) und bauliche Veränderungen bis zur heutigen Zeit spielen eine zentrale Rolle. Es ist, selbst bei Regenwetter, sonnenklar: Zuständen wie während meiner Kindheit werde ich nicht mehr begegnen.

„Bodensee. Und. Mehr“ – so könnte eine Überschrift über mein Projekt lauten. Wir kommen in Bodmann vorbei, die Königspfalz der Karolinger gab dem Bodensee im 9. Jahrhundert seinen aktuellen Namen. (Auf Französisch heisst er jedoch Lac de Constance.) Der See umfasst 536 km2 und ist 63 km lang. Die Seeuferlänge beträgt 270 km. Wegen der sichtbaren Erdkrümmung wird er in Deutschland auch Schwäbisches Meer genannt. Meine Route wird aber nicht nur flach dem Wasser entlang führen. Ebenso steigen wir auf den Rorschacherberg, auf den Seerücken im Thurgau, auf den Pfänder oberhalb von Bregenz – und überqueren im Herbst das Alpstein-Massiv mit dem Säntis als höchstem Punkt. Fast überall am Seeufer ist der Säntis bei schönem Wetter sichtbar.

Ich gehe davon aus, dass ein Paar Wanderschuhe für mein Projekt genügt. Sonst ziehe ich für die dritte (Berg)Etappe „richtige“ Bergschuhe an. Wegen Schuhen soll mein Projekt nicht scheitern. Jetzt warte ich auf den Ostermorgen – und den Ruf am Bodensee: „Steh auf und geh!“

PS: Eine neue Webseite zum Projekt Wandern um den Bodensee 2022 ist seit gestern (11. April 2022) aufgeschaltet: www.buenzli-buob.ch. Sie finden dort

  • ein Blog als Tagebuch
  • das Inhaltsverzeichnis
  • Beschreibungen der Orte, bei denen wir vorbeikommen
  • aktuelle Fotos von unterwegs
  • Essays zu historischem wie zeitgemässem Hintergrund
  • Hinweise auf Bücher, Weblinks und Texte zum Kulturraum Bodensee
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