Im Oktober ging es drunter und drüber. Draussen in der Welt. Drinnen in mir. So vergass ich tatsächlich, eine spezielle Beobachtung festzuhalten, etwas zu notieren, das mir auffiel. Ich schrieb im Oktober kein monatliches Blog – und merkte dies erst in den letzten Tagen. Normalerweise gelingt mir problemlos ein kurzer Text. Ideen und „Material“ sind genug vorhanden. Warum ging mir das Oktober-Blog durch die Latte? Warum komme ich erste Ende November dazu, zurückzublicken und diese seltene (seltsame?) Lücke zu bemerken?
Führen Sie Tagebuch? Schreiben Sie regelmässig oder hie und da auf, wer und was Sie bewegt, wer und was Sie freut, wer und was Sie stört oder ärgert? Ich mache es so. Ich halte besondere Ereignisse schriftlich fest. Im Oktober gibt es keinen Tag ohne Eintrag. Ein Ausnahme-Monat. Eigentlich bin ich pensioniert und beziehe AHV. Ein Freund erklärte mir vor Kurzem jedoch, was das Akronym AHV für ihn und für mich bedeutet: Agenda Herne Voll (für das Berndeutsche Herne brauchte er das Ostschweizer Hu…). Genauso ist es.
Meine ordentlichen AHV-Tätigkeiten teile ich in 14 Bereiche ein. Davon kamen im Oktober 12 zum Zug. (Schreiben für regekult.ch wäre ein weiterer Bereich.)
- Viel Zeit gab ich der Lukasgesellschaft für Kunst und Kirche (SSL) mit Vorbereitungen auf das 100-Jahr-Jubiläum 2024. Ich war und bin als Co-Projektleiter für SSL-Kunstschaffende in Schweizer Kirchen eingespannt.
- Viel Zeit gab ich für Reisen aus, insgesamt 15 Tage. Drei Tage sassen wir in Postautos, zehn Tage in einem Reisebus durch den Südkaukasus sowie zwei Tage im Flugzeug.
- Viel Zeit und Energie nahm und nimmt mir seit dem 7. Oktober das Entsetzen, das der Krieg der Hamas mit Israel auslöst. Ein weiterer Ort der Trauer.
In der Westschweiz
Der Oktober begann friedlich. Die ersten Tage bereisten wir mit einem befreundeten Ehepaar im Postauto die Westschweiz. Es war die siebte und letzte Etappe unserer Rundreise dem Rand der Schweiz entlang, fast alles auf einer der zahlreichen Postautolinien. Im buchstäblichen Sinn eine Super-Erfahrung. Ich kam an manchen Orten und Landschaften vorbei, die für mich als selbsternannter Schweiz-Kenner Neuland (!) waren. Eine Konsequenz aus dieser Erfahrung: wir vier Postautositzende und GA-Besitzer:innen werden noch mehr Touren zu schönen und unbekannten Orten unternehmen.
Am 6. Oktober brachten Flugzeuge unsere 20-köpfige Reisegruppe ab Zürich, München und Wien nach Warschau und in der Nacht auf den 7. Oktober nach Baku in Aserbaidschan am Kaspischen Meer. Rosmarie und ich interessieren uns seit längerem für zwei andere Länder im südlichen Kaukasus, für Georgien und Armenien mit deren Geschichte, Kultur und Gegenwart. Der Zugang dorthin musste über Aserbaidschan erfolgen. Der Südkaukasus steht geopolitisch unter grosser Spannung – und ist in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt. Ein weiterer Ort der Tauer. Mein Dossier zu diesen drei Ländern wird fast täglich dicker.
Im Südkaukasus
Als interessierter Tourist bekam ich von unseren Reiseleiter:innen keine Hintergrund-Informationen zur aktuellen Situation – ausser ein paar schwarz-weisse Einschätzungen der Lage jeweils aus Sicht des bereisten Landes. Wenig hilfreich waren Aussagen wie „Die anderen sind das Problem!“. Selbstverständlich lässt sich der südliche Kaukasus mit seiner wechselvollen und traurigen Geschichte nicht mit kurzen Erläuterungen und in wenigen Tagen erschliessen. Schon klar. Und als Studienreise konnte unsere Busreise auch nicht deklariert werden. Trotzdem und gerade deswegen will ich meine wenigen direkten Eindrücke in Aserbaidschan, Georgien und Armenien mit einem längeren Text auch unter geopolitischen Aspekten ergänzen und mir trotz AHV Zeit dafür geben.
… und im Nahen Osten
Am frühen Morgen des 7. Oktober landete unser Flugzeug in Baku. Der erste Tag war gefüllt mit Spaziergängen zu modernen und zu historischen Sehenswürdigkeiten. Erst am späten Abend erfuhren wir im Hotel via Internet vom brutalen, tod- und elendbringenden Überfall der Hamas aus dem Gazastreifen heraus auf Israel. Wir befanden uns aktuell auf dem Pulverfass Kaukasus, dessen Zukunft sehr unbestimmt ist. Und nicht weit davon entfernt tobt ein Krieg, welcher ebenfalls ein friedliches Miteinander verhindern will.
In Aserbaidschan, Georgien und Armenien haben uns im Oktober Friedhöfe, neue Grenzziehungen und angedrohte Grenzverschiebungen von tiefreichenden Konflikten erzählt. In Israel und Palästina brach ab 7. Oktober ein tiefreichender Konflikt brutal ins Bewusstsein der Welt. Und in beiden Regionen – Südkaukasus, Naher Osten – spielte und spielt der Iran eine Rolle. Mit ungewissem Ausgang.
Jetzt ist mir klar geworden, dass ich im Oktober sowohl keine Zeit wie auch kein Thema fand, um es in einem Blog zu formulieren. Dafür schreibe ich im November nochmals einen Text. Über einen ganz anderen Bereich. Auf Wiederlesen!