Neue und alte Blickwinkel auf die Schweiz

Der Monat Juli ist bald Geschichte, höchste Zeit für einen sommerlichen Text mitten in den Ferien. Der heutige 30. Juli brachte den bisher heissesten Tag in der Schweiz. Auf unserem Balkon in Bern zeigte das Thermometer um 19.20 Uhr 42,1 Grad an, ein neuer privater Hitzerekord. Und im Westen der USA und Kanada wüten u.a. aufgrund der Hitze gegen 90 grossflächige Feuer in den Wäldern, Feuerwehren haben keine Chancen. Bei uns wird vor Feuerwerk am 1. August gewarnt, klüger sei es, auf sie zu verzichten.

Im Postauto
Nicht verzichtet haben Rosmarie und ich zusammen mit Esther und Markus Anfang Juli auf Postautofahrten durch grüne Schweizer Wälder, sie bekamen vor dem Sommer grosse Wassermengen von oben. Die Schweiz im Postauto – seit 2021 bringen uns die gelben Wagen immer wieder zu pittoresken Ortschaften mitten im Hinterland. Unterdessen haben wir unser Land in 26 Etappen umrundet und fahren nun mit dem GA kreuz und quer durch einen Kanton nach dem andern. Wir kommen an Orte, die wir noch nie besuchten. Postauto fahren ermöglicht neue Ansichten und Blickwinkel.

Auf dem E-Bike
Mitte Juli erlebten wir ein grünes Emmental auf zwei Rädern. Zwei Tage sassen wir auf unseren E-Bikes und genossen zwei Herzschlaufen der berühmten Herzrouten: die Herzschlaufe Langnau und die Herzschlaufe Gotthelf. Für mich gab es fast auf jedem Kilometer ein bisher unbekanntes Stück Emmental zu entdecken. Fantastisch, was Paul Hasler an tollen Herzrouten rund um die Nummer 99 zusammenstellt! Insgesamt fuhren wir 120 km, stiegen 3300 Höhenmeter hinauf und sausten gleich wieder zu Tal. Im August werden wir mit Rita und Bruno die beiden Herzschlaufen nochmals befahren. Augen und Herzen freuen sich auf spezielle Blickwinkel aufs Land. Akku und Beine werden bereit sein.

Mit Bergbahnen und zu Fuss
Ende Juli verbrachten wir einige Tage in Pontresina (1800 m ü.M.). Im Hotelpreis eingeschlossen war ein GA für alle Oberengadiner Buslinien und Bergbahnen. So konnten wir ohne Mühe drei Gipfel über 3000 m erreichen: den Piz Nair (3057 m), den Piz Corvatsch (ok, „nur“ die Bergstation auf 3303 m) und den Munt Pers (3207 m) – den immerhin zu Fuss ab der Diavolezza. Welche Aussichten! Zu Fuss wanderten wir ebenfalls über den Panoramaweg von Muottas Muragl via Unterer Schafberg zur die Alp Languard, Der Alpfrühling mit seiner Blumenpracht erfreute uns. Zwischen Chiavenna (333 m) und dem Piz Corvatsch (3303 m) kletterten wir via Postauto und Seilbahnen fast 3000 Höhenmeter hinauf – in weniger als 2 Stunden. Auf der Gipfelterrasse des Corvatsch waren der Piz Bernina mit dem Biancograt und der Piz Roseg mit dem Eselgrat fast mit Händen zu greifen. Völlig entspannt erinnerte ich mich an eine weit zurückliegende Bergtour von der Tschiervahütte auf den Piz Roseg, damals eine anstrengende 10-Stunden-Klettertour mit Bergführer. Leider (oder zum Glück für den müden Bergsteiger vom Flachland) fiel am nächsten Tag die harte Tour via Biancograt auf den Piz Bernina dem schlechten Wetter zu Opfer. Auf den drei Dreitausendergipfel im Engadin sah ich rundherum Berge, von deren Besteigung ich stolz erzählen oder immer noch träumen kann. Stopp: von der Schneefee habe ich mich endgültig verabschiedet. Und Muskel- und Gletscherschwund motivieren nicht gerade zu neuen Aufbrüchen. Diese überlasse ich Felix. Er will am nächsten Wochenende mit seinem Bergführer Lukas das Weisshorn im Wallis besteigen. Ausgangspunkt ist die Weisshornhütte, Zwischenstation das Schalijochbiwak. Gestern haben wir ihm schönes Wetter und gutes Gelingen gewünscht. Das Weisshorn – ein Traumberg!

Was bleibt, ist lesen
Wer weniger Wanderungen und Bergtouren unternimmt, kann umso mehr kopfwandern, das heisst in Büchern, Texten und in der Fantasie herumklettern. Pickel und Steigeisen braucht es dazu auch, einfach im übertragenen Sinn. In meinem Büchergestell findet sich ein ganzes Brett voll Literatur zum Thema Unterwegs per pedes, eindrücklich ist beispielsweise ein schmaler Band von Ludwig Hohl mit dem Titel Bergfahrt. In meinen Erinnerungen stosse ich auf weitere Berg-und-Tal-Geschichten.

Übermorgen feiert die Schweiz den 1. August. Am letzten Sonntag, am 28. Juli, publizierte die NZZ am Sonntag im Kulturteil elf Texte zu Schriftstellerinnen und Denker. Die Zeitung weist auf „alte“ Werke hin, ohne die das Selbstbild der Schweiz ein anderes wäre. Eine steile These für die Kraft von Worten und Texten! Anstatt Bergtouren werden schweisstreibende Kopfwanderungen empfohlen. Im Monat August. Und an kühleren Tagen. Ein Stuhl auf meinem Balkon steht bereit.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert