Wenn Sie dem Begriff moderne Kunst begegnen, schauen Sie dann gleich weg oder sind Sie gespannt darauf, was kommt? Besuchen Sie hie und da ein Museum? Aktuell können Sie sich ausserhalb von Museen gratis, aber nicht vergebens auf Kunst einlassen. Ich habe Tipps für Sie.
Die Lukasgesellschaft für Kunst und Kirche – Lateinisch abgekürzt mit SSL – feiert 2024 ihr 100-jähriges Bestehen. Die Webseite www.lukasgesellschaft.ch zählt in der Rubrik Jubiläum künstlerische Aktivitäten auf. U. a. gibt es eine ArtMap, eine Art Katalog. Diese weist in Text und Bild auf 29 Kunstinterventionen in der ganzen Schweiz hin. Auf der Jubiläumsseite werden zudem Medienberichte aufgeschaltet. Auch das neue Jahrbuch GEWAGT! 100 Jahre gegenwärtig wird vorgestellt inklusive Bezugsadresse.
Die SSL ist ein Netzwerk für Kunstschaffende, Kunsthistoriker:innen, Theolog:innen und an Kunst interessierten Leuten. Zur Zeit zählt sie rund 200 Mitglieder. Ich selber bin viele Jahre dabei und im Jubiläumsjahr engagiert. So half ich im Hintergrund mit, in Köniz, vor der Kirche St. Josef, eine Kunstinstallation aufzugleisen. Das Kirchliche Zentrum wurde zwischen 1988 und 1991 gebaut. Zwei Architekten und zwei Künstler – Mitglieder der SSL – waren daran beteiligt. Darum gilt Köniz-St. Josef als Synthese von Architektur und Kunst, wie ein Kleiner Kirchenführer erklärt. Von 1995 bis 2007 durfte ich dort als Gemeindeleiter tätig sein und Ideen der Künstler und Architekten rund um das Kirchliche Zentrum mit seinem Motto „intra murum“ immer wieder den Pfarreiangehörigen näher bringen. St. Josef steht in der Tradition der Klosterarchitektur. Beeinflusst waren die Architekten nämlich vom bekannten US-amerikanischen Architekten, Stadtplaner und Hochschullehrer Louis Isadore Kahn (1901-1974). In Pennsylvania hatte er den Auftrag, 1965-1969 für das Mutterhaus der Dominikanerinnen ein neues Kloster zu entwerfen (das aber nicht realisiert wurde). Seine Pläne haben die Berner Architekten Hansueli Jörg und Martin Sturm in Köniz angepasst. Louis I. Kahn war bekannt für seine netzförmigen, unhierarchischen Grundrisse. Bei ihm bekommt Raum im Spiel des Lichtes eine vorrangige Rolle. Auch Bildhauer Kurt Sigrist sowie Kunstmaler Godi Hirschi liessen sich auf den Klostergedanken ein. Ihre Werke kommen spartanisch und aussagekräftig daher.
Die „Schwelle“ von Jo Achermann
In Absprache mit der aktuellen Gemeindeleiterin konnte ich den Obwaldner Bildhauer Jo Achermann für eine ortsspezifische Kunstintervention gewinnen. Auch er ist langjähriges SSL-Mitglied. Nun realisierte er in Köniz für das SSL-Jubiläum die Skulptur „Schwelle“ als Übergang von draussen nach drinnen (und umgekehrt). Sie steht zwischen dem Vorplatz aus Kies und der Kirchentür und betont die Achse, die vom Ortszentrum Köniz zum Zentrum der Kirche führt. Wer durch die semitransparente Schwelle aus Holz geht, verlässt den profanen Raum und nähert sich dem sakralen Raum mit einer hoffentlich ganz anderen Stimmung. Wer auf der Schwelle – im Raum der Schwelle! – innehält, kann möglicherweise plagenden Ballast des Alltags abwerfen. Kann durchatmen, kann zu sich kommen. Die Hektik des Durcheinanders verschwindet – und es öffnet sich mit der Kirchentür eine zeitlose Ebene, die gut tut (auf dem Kirchturm hat es keine Uhr, gibt es keinen Glockenschlag zu jeder Viertelstunde). Eventuell erwartet Sie meditative Musik.
Bis 3. November 2024 können Besucher:innen der Kirche St. Josef deren Sakralraum über die kunstvolle Schwelle von Jo Achermann betreten. Die sehenswerte Kirche ist von 8.00 bis 20.00 geöffnet.
Foto Jo Achermann