Persien, Zentralasien, Indien

Isfahan erlebte ich als Schlussfeuerwerk unserer Reise im Herbst 2014 durch Persien. Gesehen haben wir vorher Teheran, das Kaspische Meer, Täbris, Hamadan (Ekbatana), Susa, Shiraz, Persepolis, Ban, Yazd und viel Landschaft dazwischen. Ein Stück der Seidenstrasse haben wir befahren. Und wir hörten Geschichten aus der langen persischen Kultur, die weit mehr umfasst als den heutigen Iran. Wir hörten von Buchara und Samarkand. Von Indien.
Vor einigen Monaten folgten wir der Seidenstrasse durch Zentralasien von Ashgabad bis zum Issyk-Kul am Fuss des Tienschan. Die Altstädte von Chiva, Buchara und Samarkand erkundeten wir zu Fuss. Längere Zeit ist es her, seit wir Teile von Südindien und einige Regionen in Nordindien entdeckten.

Auf Reisen mache ich Notizen, Rosmarie fotografiert und Franziska stellt jeweils ein Fotobuch zusammen. Um aber von bereisten Gesellschaften, Kulturen und Religionen weitere Hintergründe und Zusammenhänge kennenzulernen, lese ich in meiner Werkstatt gern dicke Bücher. Zwei hatte ich in den letzten Wochen vor Augen.
Der Fotograf und Journalist Daniel Schwartz war zwischen 1987 und 2007 mehrmals beruflich im Westen von China unterwegs, in den fünf zentralasiatischen Republiken, in Afghanistan, in Kashmir, im Iran, in Aserbaidschan. Was er tagebuchartig auf Papier notierte, liest sich im Buch „Schnee in Samarkand. Ein Reisebericht aus dreitausend Jahren“, publiziert 2008. Das Buch zählt 1000 Seiten. Ich habe es langsam gelesen. Denn parallel dazu las ich „Licht aus dem Osten. Eine neue Geschichte der Welt“. Verfasst hat die 940 Seiten, publiziert 2016, der Historiker Peter Frankopan.

In beiden Büchern begegne ich Geschichte machenden Figuren, denen wir uns auch auf unseren Reisen annäherten. Was wir „vor Ort“ notierten und fotografierten, kann ich lesend vertiefen. Kyros II. der Grosse ist mir aus der biblischen Bibliothek bekannt – seine Grabstätte sehen wir in Pasargadae –, Alexander der Grosse aus dem Geschichtsunterricht. Timur (Tamerlan) und seine Timuriden kannte ich bis vor kurzem nicht. Sein Mausoleum, nebst vielem anderem, steht in Samarkand. Seine Beziehungen reichten über Kabul bis Dehli in Indien. In Isfahan staunten wir über grossartige Bauwerke, die Shah Abbas, Sultan der Safawiden, errichten liess.
Ich könnte auch von Philosophen, Poeten, Malern, Architekten berichten, zum Beispiel von Ibn Sina (Avicenna), al-Biruni, Ferdausi oder Ulughbek. Oder von Impulsgebern zu neuen Religionsformen.

Persien, Zentralasien, Indien: zwischen diesen Regionen fand nicht bloss ein Austausch von Waren statt, sondern neben kriegerischen Auseinandersetzungen auch ein Austausch von religiösen Ideen. Gottheiten und Kulte, Priester und Herrscher kämpften miteinander. Wer militärisch erfolgreich war, musste starke Gottheiten auf seiner Seite haben. Das lässt sich heute an sakralen Kunstwerken ablesen: an Hindutempeln, an Moscheen, an zoroastrischen Feuerheiligtümern, an buddhistischen Kultstätten, an wenigen unscheinbaren christlichen Kirchen.

Die beiden erwähnten Bücher lassen in mir manche Reise-Erinnerungen aufleben. Sie verändern aber auch meine Wahrnehmung von (Welt)Geschichte – und damit von gegenwärtigen Entwicklungen. Die Lektüre „zum Osten“ setzte ich fort. Als nächstes Buch folgt „Entlang den Gräben. Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan“. Autor ist Navid Kermani. Sie beginnt in Schwerin und dauert 54 Tage. Die letzte Etappe führt ihn zum Geburtsort seiner Eltern nach Isfahan.

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