Jetzt unterbreche ich Ihren Alltag

Manchmal denke ich: Ganz schön frech von mir, ich will Ihren Alltag unterbrechen. Wobei es so nicht stimmt. Besser ist die Formulierung: „Sie lassen sich von meinem Blog unterbrechen.“ Sie lassen sich von einem kurzen Text stören – oder Sie hören bereits auf, weiterzulesen. Ihr Entscheid. Jetzt.

Ich berichte hier nicht von Krieg und Elend. Ich erzähle nicht von Liebe und Hass. Ich schreibe von Kunst. Schnitt // 

Ihnen fällt Ihr letzter Besuch im Kunstmuseum ein. Zwei, drei Bilder, eine Skulptur können Sie nicht vergessen. Sie haben Eindruck gemacht. Spontan hätten Sie eines der Kunstwerke gleich gekauft. Wenn Sie genügend Geld frei machen könnten und einen schönen Platz zuhause. In Ihrem Wohnzimmer hängt immerhin ein „günstiges“ Werk von einer für die meisten Ihrer Bekannten wohl unbekannten Malerin. Sie schauen die Malerei immer wieder gerne an, entdecken manchmal sogar neue Details. Ohne dieses Bild würde etwas in Ihrer Wohnung fehlen. Was genau? Ja, genau: das Unterbrechen des Alltäglichen. Kunst reisst aus dem Trott des Absehbaren, des Gewohnten heraus. Jetzt, beim Betrachten „Ihres“ Bildes, vergessen Sie die Zeit. Sie lassen sich von Farben, von Figuren, von Strichen, von der ganzen Atmosphäre verzaubern. Es ist ein schönes Bild.

Wir beginnen zu philosophieren. Das „Jetzt“ gilt als wichtiges Kriterium der modernen Kunst, als Beleg, dass noch etwas passieren kann. Kunst als Ereignis, und das ist mit Ihrem Besuch im Kunstmuseum oder in einem Konzertsaal verbunden, Kunst als Ereignis bewirkt ein Unterbrechen des Absehbaren. Überraschendes wird möglich, eine neue Perspektive. Sie geniessen das Jetzt. Sie lassen Ihre Phantasie schweifen. Dieses Unterbrechen am Ort der Kunst macht Ihr Leben lebenswert. Darum gehen Sie hie und da an solche Orte. Darum hängt in Ihrem Wohnzimmer ein schönes Bild. Darum hören Sie beglückende Musik.

Sie kennen Leute, die mit Kunst nichts am Hut haben. Die niemals ein Kunstfestival besuchen würden. Denen Kunstwerke fremd sind und bleiben. Mit diesen Leuten könnten Sie nie über Ihre Erlebnisse mit einer abstrakten Skulptur reden. Es braucht ein Interesse an Fremdem, wenn ich Kunst begegnen und darüber reden will. Warum sollte ich hingegen Fremdes eliminieren, indem ich es als unverständlich – gestört / verstörend – eklig – langweilig – heimatlos –gefährlich … disqualifiziere? Hoppla! Mein „Jetzt“ nimmt eine ungeplante Kurve. Von der Kunst zu Menschen. Behandle ich Kunst der Gegenwart wie ich Menschen der Gegenwart behandle? Eine rhetorische Frage. Schnitt //

Ein Jubiläum mit viel Kunst
In den nächsten Monaten beschäftige ich mich zeitaufwendig mit moderner Kunst und deren Produzent:innen. Als jahrelanges Mitglied in der Schweizerischen Lukasgesellschaft für Kunst und Kirche helfe ich mit, das 100-Jahr-Jubiläum dieser Gesellschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 vorzubereiten. Wir wollen eine breite Öffentlichkeit zu Auseinandersetzung mit Kunst, Architektur und Sakralität einladen. Kunstschaffende, Architekt:innen und Lichtplaner:innen in unserer Gesellschaft haben wir bereits angeschrieben mit der Frage, ob sie ortsspezifische Interventionen in Kirchen und Sakralräumen realisieren möchten und zwar verteilt über die ganze Schweiz. Unsere Projektgruppe wartet jetzt auf tolle Ideen und konkrete Projektvorschläge. Wird es bis Sommer 2024 Realisierungen geben? Kunst schaffen braucht Zeit und Inspiration. Eine andere Arbeitsgruppe wird einen besonderen Jubiläumsband des Jahrbuches der Lukasgesellschaft zusammenstellen. Und das Vitromusée in Romont bereitet für 2024 eine spezielle Ausstellung vor zum Medium Glas. Ausserdem sollen Interviews, Gespräche oder Portraits von Mitgliedern der Lukasgesellschaft öffentlich Einblick geben in ihr Kunstschaffen, in ihre Motivationen und Haltungen, in ihre Arbeitsprozesse, in ihr Verständnis von Kunst, in Gelungenes und in Misslungenes.

Falls Sie Ihren Alltag wieder einmal unterbrechen wollen für eine ungeplante „Kurve“, für eine mögliche Überraschung: die Webseite www.lukasgeschaft.ch ist nur eine von vielen Adressen, an denen Sie sich über zeitgenössische Kunst informieren können.

PS: Geniessen Sie Ihren nächsten Besuch in einem Kunstmuseum.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert