Drei Paar Schuhe: Kirche weltweit. Kirche vor Ort. Konfessionslos

Vor 50 Jahren begann am 23. September 1972 die Synode 72 der Schweizer Katholik:innen. Ab 1974 begleitete ich als Berichterstatter für 4 lokale Tageszeitungen die gesamtschweizerischen Versammlungen sowie jene des Bistums Basels. Dieses dreijährige Ereignis prägte mein Arbeiten in und mit der katholischen Kirche. Nun schaut die aktuelle Nummer 20 des Berner Pfarrblatts in vier Artikeln auf die Synode 72 zurück. Zudem kommentiert der Basler Bischof Felix Gmür den neuen Schweizer Synodenbericht mit Datum vom 16. August. Dieser wurde im Anschluss an die Synodale Versammlung Schweiz vom 30. Mai 2022 in Einsiedeln unter Berücksichtigung der dortigen Gesprächsergebnisse finalisiert. Grundlage war ein Berichtsentwurf der Pastoralkommission der Schweizer Bischofskonferenz,. Er wurde auf Basis diözesaner Synodenprozesse erstellt. Unter Schweizer Synodenbericht kann er heruntergeladen werden. Der Bericht geht nun in den Vatikan. Im Oktober 2023 wird dort eine Generalversammlung der Bischofssynode stattfinden. Papst Franziskus will, dass der breite und ebenfalls dreijährige Prozess von Bischöfen aus aller Welt konstruktiv aufgenommen wird. Erwartungen an die Bischofssynode halten sich bei mir aus Erfahrung jedoch in engen Grenzen.

Perspektiven
Aus dem 11-seitigen Schweizer Synodenbericht 2022 zitiere ich die sieben Überschriften im dritten und letzten Teil, jenem mit Perspektiven.

  1. Im Blick auf die folgenden Etappen des synodalen Prozesses erscheint es notwendig, die Anstrengung des gegenseitigen Zuhörens beizubehalten und dazu kirchliche Rahmenbedingungen für das Hören auf den Ruf des Heiligen Geistes zu gestalten: im Hören auf das Wort Gottes, in der Aufmerksamkeit für die Äusserungen der je anderen und im Leben unserer Mitmenschen.
  2. Ausgrenzung von Menschengruppen beenden: Die offene oder indirekte Zurückweisung oder Abwertung von Menschengruppen widerspricht einer synodalen Kirche ebenso wie der Verheissung des Evangeliums.
  3. Klerikalismus überwinden: Die Rolle der Priester (bzw. der Theologinnen, Theologen und Mitarbeitenden) in einer synodalen Kirche ist grundlegend neu zu reflektieren und zu definieren.
  4. Geteilte Machtausübung einführen: Partizipation an einer synodalen Kirche setzt Partizipation an Prozessen der Unterscheidung wie der Entscheidung voraus.
  5. Kontextualität achten und Regionalisierung fördern: Synodale Kirche ereignet sich immer in konkreten Kontexten. Synodalität ist immer konkreten Situationen verpflichtet.
  6. Liturgie verlebendigen: Liturgie als Erfahrungsort synodaler Kirche setzt die Überwindung ihrer kulturellen Entfremdung voraus.
  7. Eine Kirche, die hinausgeht: Der synodale Prozess ist ein Lernweg, der erst am Anfang steht.

Die meisten dieser Perspektiven dürften im Vatikan wohl auf kein grosses Interesse stossen, eher auf Ablehnung. Einer synodalen Kirche stehen kirchenintern zu viele Hindernisse und ganz andere Kirchenbilder entgegen, zum Beispiel hierarchische und solche aus dem 19. Jahrhundert. Ausserdem wartet (fast) niemand auf bodenständige Erfahrungen und Vorschläge aus der basisorientierten Schweiz … Um nicht an grossen Hürden zu verzweifeln, wäre es kreativer, vor Ort kleine Schritte zuhanden einer stärkeren synodalen Kirche zu machen. Dabei sollten aktuelle Religionstrends bedacht werden. Soeben ist dazu eine neue Studie erschienen:

Religionstrends in der Schweiz. Religion, Spiritualität und Säkularität im gesellschaftlichen Wande

Die Studie ist als Buch oder frei im open access zugänglich. Sichtbar macht sie

  • eine anhaltende Entkirchlichung der Schweizer Gesellschaft von Generation zu Generation
  • einen Vertrauensverlust gegenüber den Kirchen
  • eine sinkende Bindungskraft der Kirchen gegenüber ihren Mitglieder:innen
  • eine starke Zunahme von Konfessionslosen bei jungen und gut gebildeten Menschen sowie bei Menschen mit Migrationshintergrund.

Kirchen und Moderne – das scheint auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Das könnten wohl zwei Paar Schuhe sein. Müsste es aber nicht. Traditionelle Ritualangebote und Glaubensvorstellungen bewirken nur noch kleinste Resonanzen. Damit steigen aber Chancen der synodal Denkenden für ein drittes Paar Schuhe, für neuen Wein in neuen Schläuchen. Zusammen mit Kunst- und Kulturschaffenden, mit Architekt:innen, mit Dorf- und Quartiervereinen, mit sozial Engagierten, mit wachen Leser:innen, mit skeptischen Philosoph:innen, mit Theaterleuten, mit ökumenischen Projekten.

Zusammen mit … die Aufzählung können Sie aus Ihrer Sicht ergänzen.

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